Marcardsmoor - ein kleines Dorf im Moor
Chronik
1.4. Der Gang der Besiedlung bis 1924
Nachdem die Generalkommission im Sommer 1890 die ersten fünf Kolonate vorbereitet hatte und fünf Wohnhäuser gebaut waren, zogen die ersten Sied-
ler im Herbst 1890 ein.
Es wurden folgende Kolonate vergeben:
Das Kolonat Nr. 8 war die Moorvogtei und wurde von H. Helms und Familie aus Oldenburg bezogen. Die Kolonate 6 und 7 lagen westlich der Moorvogtei
und wurden von Tjarde Aden aus Akelsbarg und Garrelt Bokelmann aus Spetzerfehn bezogen. Die Kolonate 9 und 10 lagen östlich der Moorvogtei und
wurden von Ubbe Ideus aus Akelsbarg und Gerhard Grohn aus Wiesens bezogen.
Damit waren sie zwar die ersten Kolonisten von Marcardsmoor, aber nicht die ersten Siedler in diesem öden Moorgebiet. Es standen bereits vorher zwei
Häuser einsam in den Heideflächen am Ems-Jade-Kanal. Dies waren das Schleusenmeisterhaus (seit 1889 bewohnt vom Schleusenmeister Dirk Fisser
aus Emden) und das Brückenwärterhaus (seit 1889 vom Brückenwärter Harm Ennen bewohnt). Die Lebensbedingungen dieser ersten Siedler waren sehr
hart. Es fehlte an allem. Alle Lebensmittel mußten aus den umliegenden Dörfern beschafft werden, sofern es dort überhaupt etwas gab. Dies verursachte
erhebliche Mühen und Kosten. Wege zu den Dörfern existierten zum Teil noch gar nicht oder waren in sehr schlechtem Zustand. Wegen des bestehenden
Futtermangels konnten noch keine Milchkühe gehalten werden, so daß es nicht einmal Milch für die Kinder gab. Trotzdem konnten im Sommer 1891
sechs weitere Kolonate östlich der Moorvogtei an Siedler übergeben werden. Das Kolonat Nr. 11 wurde freigelassen, um es später als Windschutz aufzu-
forsten. Dieser Plan wurde jedoch nicht durchgeführt, und das Kolonat später ebenfalls vergeben.
Das Kolonat Nr. 12 erhielt M. Kruse, Nr. 13 E. v. Höveln, Nr. 14 J. H. Dirks, Nr. 15 J. Hüls, Nr. 16 E. D. Weber und Nr. 17 ging an M. Eckhoff.
Da man nun bereits ein kleines Dorf bildete, fand im Jahre 1892 die Tauffeier des Ortes statt. 25 Herren des Ministeriums von Berlin, der Regierung in Au-
rich, der Generalkommission in Hannover, Beamte aus Oldenburg sowie der Landrat aus Wittmund erschienen zu dieser Feier im festlich geschmückten
Marcardsmoor. Der ebenfalls eingeladene Namensgeber E. von Marcard erkrankte leider auf der Fahrt von Berlin nach Marcardsmoor und mußte auf hal-
bem Weg kehrt machen. Er verstarb im gleichen Jahr und hat so Marcardsmoor nie persönlich gesehen. Die Besiedlung machte schnelle Fortschritte, so
daß im Sommer 1892 wieder 6 Kolonate vergeben werden konnten. Diesmal waren es die Kolonate 18 bis 24 in westlicher Richtung.
Das Kolonat Nr. 18 wurde wiederum freigelassen. Das Kolonat Nr. 19 erhielt A. Lambertus, Nr. 20 J. Brands, Nr. 21 H. Menssen, Nr. 22 Niebuhr, Nr. 23 H.
Bohm und Nr. 24 Post.
Im gleichen Jahr mußten an der Moorvogtei bereits Nebengebäude errichtet werden, um Platz für den benötigten Kunstdünger, die Saatkartoffeln und die
Pferde der Verwaltung zu schaffen. Auch 1893 wurden wieder 4 Kolonistenhäuser in westlicher Richtung übergeben. Das Kolonat Nr. 25 wurde frei-
gelassen. Nr. 26 erhielt J. Adels, Nr. 27 Duitjer, Nr. 28 F. Heinen, Nr. 29 unbekannt.
Im Winter wurde die Landstraße nach Wiesedermeer fertiggestellt, so daß man jetzt im Ort den Hauptweg (1. Reihe) mit den Feldbahngleisen und außer-
halb des Ortes nach Norden die Landstraße und nach Süden einen Sandweg ins Moor hatte. 1894 wurden ebenfalls 4 Kolonistenhäuser in westlicher
Richtung fertiggestellt. Kolonat Nr. 30 ging an B. Otten, Nr. 31 an Labmeier, Nr. 32 an W. Langhorst, Nr. 33 an G. Oltmanns. Im Jahre 1895 wurde auch
das vorher freigelassene Kolonat Nr. 11 vom Kolonisten C. Grohn bezogen.
Am 27. Juni 1895 wurde die Kolonie durch Vertreter der Generalkommission und der Regierung besichtigt, um das Einhalten des Plans zu kontrollieren.
Der Kolonist A. Lambertus (Kolonist Nr. 19) tauschte sein Kolonat gegen ein kleineres Kolonat am Weg nach Wiesedermeer ein und baute sich dort selbst
ein Haus. Er war von Beruf Maurer und Zimmermann, weshalb er der jungen Kolonie als Handwerker sehr wichtig war. Durch das stetige Wachsen der
Kolonie wurde es jetzt auch nötig, eine eigene Schule zu gründen. (vergl. Kapitel Schule). Das Jahr 1896 brachte die Besiedlung der Kolonate Nr. 18 und
Nr. 25. Diese Flächen waren bereits abgetorft, deswegen konnte hier gleich massiv gebaut werden. Die Kolonate gingen an E. Behrends und L. Behrends.
Im Sommer 1898 wurden 3 Kolonate am Sandweg nach Süden (heutige L 12) an die Kolonisten J. Buss, G. Willens und E. Albers vergeben.
1899 wurden am "Peerkopp" 2 Kolonate an F. Kaiser und R. Onken abgegeben. Die Jahrhundertwende brachte wieder 2 neue Kolonisten im Westen und
zwar K. Hanken und J. Grohn. Das wichtigste Ereignis dieses Jahres dürfte aber die Eröffnung des Gemeindehauses gewesen sein (vergl. Kapitel Ge-
meindehaus). Eine Volkszählung hatte ergeben, daß mittlerweile 266 Personen, davon 157 männlich und 109 weiblich, in Marcardsmoor lebten und arbei-
teten. Im darauffolgenden Jahr wurde an der nördlichen Kanalseite der neue Friedhof angelegt, und es konnten 4 neue Kolonate an die Siedler J. Mar-
tens, J. Krull, J. Stulken und W. Langhorst vergeben werden.
Durch die große Anzahl der Siedler und den hohen Bedarf an Künstdünger, der aus Emden per Schiff kam, mußte im Jahre 1902 ein Kunstdünger-
schuppen gebaut werden. In diesem Jahr wurde auch eine Prämie von bis zu 200 Mk an die Kolonisten vergeben, die ihr Kolonat besonders gut bewirt-
schaftet hatten.
Das nächste Kolonat wurde 1904 an G. Iken vergeben. Es mußte jetzt auch für die größer werdende Gemeinde eine Kirche gebaut werden (vergl. Kapitel
Kirche).
Einige Siedler hatten jetzt bereits soviel Kapital, daß sie ihr Kolonat von der Generalkommission kaufen konnten. Die ersten Rentengutsbesitzer wurden
im Jahr 1905 U. Ideus, G. Grohn, G. Bokelmann, J. Dirks und J. Brands. Sie bezahlten 9500 Mk. Gleichzeitig wurde ein neues Kolonat von J. Frerichs be-
zogen. Auch die freiwillige Feuerwehr wurde jetzt gegründet (vergl. Kapitel Feuerwehr). Im nächsten Jahr begannen die Bauarbeiten zum Nordgeorgs-
fehnkanal. Es wurde allerdings mit einer längeren Bauzeit als beim Ems-Jade-Kanal gerechnet, da das gesamte Moor im Kanalverlauf zu Torf verarbeitet
wurde. Es liefen damals zwei Torfpressen und ein Bagger. Wieder konnten 2 Kolonate an B. Onken und Fr. Janssen vergeben werden. Im Jahre 1907
konnte die Marcardsmoorer Kirche feierlich eingeweiht werden.
Der Schmiedemeister H. Tjarks erhielt ein kleines Kolonat an der Straße nach Wiesedermeer und die Oberpostdirektion richtete eine Postagentur ein
(vergl. Kapitel Post). Es konnte jetzt die letzte Kolonatstelle im Westen der I. Reihe von M. Gronewold übernommen werden. Damit war die Besiedlung der
l. Reihe abgeschlossen.
Bereits im Jahr darauf wurden die restlichen Ländereien an der Grenze zu Upschört von J. Fisser angekauft. Die im Jahre 1890 gebaute und von Helms
bewohnte Moorvogtei war jetzt bereits so baufällig, daß sie abgerissen und an ihrer Stelle ein neues massives Haus gebaut werden mußte. Dieses Haus
steht bis heute in der I. Reihe. Das letzte Haus, das von der Moorverwaltung gebaut wurde, befand sich auf dem Kolonat hinter dem Gemeindehaus und
wurde von J. Tholen bezogen. Ein weiteres Kolonat ging an E. Logemann und lag an der Straße nach Wiesedermeer. Von jetzt an bekamen die neuen
Siedler nur noch Staatszuschüsse zum Hausbau.
1909 bekamen H. Logemann und G. Dirks neue Kolonatstellen. Das Aufblühen der Gemeinde kann man deutlich daran erkennen, dass im Jahre 1911 17
Kolonisten für 11500 Mk zu Landbesitzern wurden. In diesem Jahr wurde nur J. Gellermann als Kolonist aufgenommen.
Zu Beginn des ersten Weltkrieges zogen auch etliche Männer aus Marcardsmoor ins Feld, von denen viele nicht zurückkamen. In dieser schweren Zeit
wurde die Arbeit auf den Feldern z. T. von Kriegsgefangenen ausgeführt. ( Kapitel Gefangenenarbeit in Marcardsmoor). Während des Krieges konnte von
der Generalkommission ein Landmotor angeschafft werden, der auch gleich für die Urbarmachung der II. Reihe in Betrieb genommen wurde. Auch die
Elektrizität wurde 1916 eingeführt. Nach dem Krieg wurde im Jahre 1919 die Spar- und Darlehnskasse gegründet (vergl. Kapitel Raiffeisenbank). Bereits
im folgenden Jahr entstanden in der II. Reihe mehrere Ansiedlungen. Von den Siedlern mußte aus eigener Kraft eine Wohnung gebaut werden. Es reichte
oft eine Hütte aus Lehm oder eine Baracke als Unterkunft. Jetzt wurde zuerst die Scheune gebaut, in der auch gewohnt wurde. Erst später konnten die
Wohnungen angebaut werden. Die Kolonisten dieser Häuser in der II. Reihe waren K. Fuchs, A. Fuchs, J. Lienemann, H. Juilfs, W. Brunen, J. Knospe, H.
Kruse, F. Lienemann, J. Brandes und J. Decker. In der "swarten Leegde" (heute Birkenweg) erhielten H. Müller, M. Muhle, A. de Wall, H. Gellermann und
H. Bohms je ein Kolonat. Zur gleichen Zeit siedelten am Kuckucksweg D. Rahmann und H. Janssen.
Im Gebiet am "Peerkopp" (heute II. Reihe) wurden 1922 Kolonate an folgende Personen vergeben: E. Luitjens, H. Wehling, J. Schmidt, A. Schrage, K.
Saathoff, A. Reuß, R. Habben, W. Wessels, J. Janssen, Lübbers, D. Stulken, W. Langhorst, J. Martens, J. Cirksena, H. Jauken und H. Frerichs. Im Jahre
darauf wurden auch im südöstlichen Teil von Marcardsmoor die letzten Kolonate vergeben. Es erhielten O. Buß, A. Aden, J. Ideus, U. Ideus, K. Groß, R.
Janssen, A. Rose, G. Junior und C. Scharnhorst je ein Kolonat.
Damit war das Wirken der Königlichen Generalkommission beendet, denn am 1.4.1924 wurde Marcardsmoor zu einer selbständigen Gemeinde erklärt. In
den 34 Jahren als fiskalischer Gutsbezirk hatte sich der Ort sehr günstig entwickelt. Die neue Gemeindeverwaltung mußte nun das Erbe von Moorvogt
Helms antreten, der im gleichen Jahr in Pension ging.