Nachdem die Generalkommission im Sommer 1890 die ersten fünf Kolonate vorbereitet hatte und fünf Wohnhäuser gebaut waren, zogen die ersten Siedler im Herbst 1890 ein. Es wurden folgende Kolonate vergeben:
Das Kolonat Nr. 8 war die Moorvogtei und wurde von H. Helms und Familie aus Oldenburg bezogen. Die Kolonate 6 und 7 lagen westlich der Moorvogtei und wurden von Tjarde Aden aus Akelsbarg und Garrelt Bokelmann aus Spetzerfehn bezogen. Die Kolonate 9 und 10 lagen östlich der Moorvogtei und wurden von Ubbe Ideus aus Akelsbarg und Gerhard Grohn aus Wiesens bezogen.
Damit waren sie zwar die ersten Kolonisten von Marcardsmoor, aber nicht die ersten Siedler in diesem öden Moorgebiet. Es standen bereits vorher zwei Häuser einsam in den Heideflächen am Ems-Jade-Kanal. Dies waren das Schleusenmeisterhaus (seit 1889 bewohnt vom Schleusenmeister Dirk Fisser aus Emden) und das Brückenwärterhaus (seit 1889 vom Brückenwärter Harm Ennen bewohnt). Die Lebensbedingungen dieser ersten Siedler waren sehr hart. Es fehlte an allem. Alle Lebensmittel mussten aus den umliegenden Dörfern beschafft werden, sofern es dort überhaupt etwas gab. Dies verursachte erhebliche Mühen und Kosten. Wege zu den Dörfern existierten zum Teil noch gar nicht oder waren in sehr schlechtem Zustand. Wegen des bestehenden Futtermangels konnten noch keine Milchkühe gehalten werden, so dass es nicht einmal Milch für die Kinder gab. Trotzdem konnten im Sommer 1891 sechs weitere Kolonate östlich der Moorvogtei an Siedler übergeben werden. Das Kolonat Nr. 11 wurde freigelassen, um es später als Windschutz aufzuforsten. Dieser Plan wurde jedoch nicht durchgeführt, und das Kolonat später ebenfalls vergeben.
Das Kolonat Nr. 12 erhielt M. Kruse, Nr. 13 E. v. Höveln, Nr. 14 J. H. Dirks, Nr. 15 J. Hüls, Nr. 16 E. D. Weber und Nr. 17 ging an M. Eckhoff.
Da man nun bereits ein kleines Dorf bildete, fand im Jahre 1892 die Tauffeier des Ortes statt. 25 Herren des Ministeriums von Berlin, der Regierung in Aurich, der Generalkommission in Hannover, Beamte aus Oldenburg sowie der Landrat aus Wittmund erschienen zu dieser Feier im festlich geschmückten Marcardsmoor. Der ebenfalls eingeladene Namensgeber E. von Marcard erkrankte leider auf der Fahrt von Berlin nach Marcardsmoor und musste auf halbem Weg kehrt machen. Er verstarb im gleichen Jahr und hat so Marcardsmoor nie persönlich gesehen. Die Besiedlung machte schnelle Fortschritte, so dass im Sommer 1892 wieder 6 Kolonate vergeben werden konnten. Diesmal waren es die Kolonate 18 bis 24 in westlicher Richtung.
Das Kolonat Nr. 18 wurde wiederum freigelassen. Das Kolonat Nr. 19 erhielt A. Lambertus, Nr. 20 J. Brands, Nr. 21 H. Menssen, Nr. 22 Niebuhr, Nr. 23 H. Bohm und Nr. 24 Post.
Im gleichen Jahr mussten an der Moorvogtei bereits Nebengebäude errichtet werden, um Platz für den benötigten Kunstdünger, die Saatkartoffeln und die Pferde der Verwaltung zu schaffen. Auch 1893 wurden wieder 4 Kolonistenhäuser in westlicher Richtung übergeben. Das Kolonat Nr. 25 wurde freigelassen. Nr. 26 erhielt J. Adels, Nr. 27 Duitjer, Nr. 28 F. Heinen, Nr. 29 unbekannt.
Im Winter wurde die Landstraße nach Wiesedermeer fertiggestellt, so dass man jetzt im Ort den Hauptweg (1. Reihe) mit den Feldbahngleisen und außerhalb des Ortes nach Norden die Landstraße und nach Süden einen Sandweg ins Moor hatte. 1894 wurden ebenfalls 4 Kolonistenhäuser in westlicher Richtung fertiggestellt. Kolonat Nr. 30 ging an B. Otten, Nr. 31 an Labmeier, Nr. 32 an W. Langhorst, Nr. 33 an G. Oltmanns. Im Jahre 1895 wurde auch das vorher freigelassene Kolonat Nr. 11 vom Kolonisten C. Grohn bezogen.
Am 27. Juni 1895 wurde die Kolonie durch Vertreter der Generalkommission und der Regierung besichtigt, um das Einhalten des Plans zu kontrollieren. Der Kolonist A. Lambertus (Kolonist Nr. 19) tauschte sein Kolonat gegen ein kleineres Kolonat am Weg nach Wiesedermeer ein und baute sich dort selbst ein Haus. Er war von Beruf Maurer und Zimmermann, weshalb er der jungen Kolonie als Handwerker sehr wichtig war. Durch das stetige Wachsen der Kolonie wurde es jetzt auch nötig, eine eigene Schule zu gründen. (vergl. Kapitel Schule). Das Jahr 1896 brachte die Besiedlung der Kolonate Nr. 18 und Nr. 25. Diese Flächen waren bereits abgetorft, deswegen konnte hier gleich massiv gebaut werden. Die Kolonate gingen an E. Behrends und L. Behrends. Im Sommer 1898 wurden 3 Kolonate am Sandweg nach Süden (heutige L 12) an die Kolonisten J. Buss, G. Willens und E. Albers vergeben. 1899 wurden am „Peerkopp“ 2 Kolonate an F. Kaiser und R. Onken abgegeben. Die Jahrhundertwende brachte wieder 2 neue Kolonisten im Westen und zwar K. Hanken und J. Grohn. Das wichtigste Ereignis dieses Jahres dürfte aber die Eröffnung des Gemeindehauses gewesen sein (vergl. Kapitel Gemeindehaus). Eine Volkszählung hatte ergeben, dass mittlerweile 266 Personen, davon 157 männlich und 109 weiblich, in Marcardsmoor lebten und arbeiteten. Im darauffolgenden Jahr wurde an der nördlichen Kanalseite der neue Friedhof angelegt, und es konnten 4 neue Kolonate an die Siedler J. Martens, J. Krull, J. Stulken und W. Langhorst vergeben werden.
Durch die große Anzahl der Siedler und den hohen Bedarf an Künstdünger, der aus Emden per Schiff kam, musste im Jahre 1902 ein Kunstdüngerschuppen gebaut werden. In diesem Jahr wurde auch eine Prämie von bis zu 200 Mk an die Kolonisten vergeben, die ihr Kolonat besonders gut bewirtschaftet hatten. Das nächste Kolonat wurde 1904 an G. Iken vergeben. Es musste jetzt auch für die größer werdende Gemeinde eine Kirche gebaut werden (vergl. Kapitel Kirche).
Einige Siedler hatten jetzt bereits soviel Kapital, dass sie ihr Kolonat von der Generalkommission kaufen konnten. Die ersten Rentengutsbesitzer wurden im Jahr 1905 U. Ideus, G. Grohn, G. Bokelmann, J. Dirks und J. Brands. Sie bezahlten 9500 Mk. Gleichzeitig wurde ein neues Kolonat von J. Frerichs bezogen. Auch die freiwillige Feuerwehr wurde jetzt gegründet (vergl. Kapitel Feuerwehr). Im nächsten Jahr begannen die Bauarbeiten zum Nordgeorgsfehnkanal. Es wurde allerdings mit einer längeren Bauzeit als beim Ems-Jade-Kanal gerechnet, da das gesamte Moor im Kanalverlauf zu Torf verarbeitet wurde. Es liefen damals zwei Torfpressen und ein Bagger. Wieder konnten 2 Kolonate an B. Onken und Fr. Janssen vergeben werden. Im Jahre 1907 konnte die Marcardsmoorer Kirche feierlich eingeweiht werden.
Der Schmiedemeister H. Tjarks erhielt ein kleines Kolonat an der Straße nach Wiesedermeer und die Oberpostdirektion richtete eine Postagentur ein (vergl. Kapitel Post). Es konnte jetzt die letzte Kolonatstelle im Westen der I. Reihe von M. Gronewold übernommen werden. Damit war die Besiedlung der l. Reihe abgeschlossen.
Bereits im Jahr darauf wurden die restlichen Ländereien an der Grenze zu Upschört von J. Fisser angekauft. Die im Jahre 1890 gebaute und von Helms bewohnte Moorvogtei war jetzt bereits so baufällig, dass sie abgerissen und an ihrer Stelle ein neues massives Haus gebaut werden musste. Dieses Haus steht bis heute in der I. Reihe. Das letzte Haus, das von der Moorverwaltung gebaut wurde, befand sich auf dem Kolonat hinter dem Gemeindehaus und wurde von J. Tholen bezogen. Ein weiteres Kolonat ging an E. Logemann und lag an der Straße nach Wiesedermeer. Von jetzt an bekamen die neuen Siedler nur noch Staatszuschüsse zum Hausbau.
1909 bekamen H. Logemann und G. Dirks neue Kolonatstellen. Das Aufblühen der Gemeinde kann man deutlich daran erkennen, dass im Jahre 1911 17 Kolonisten für 11500 Mk zu Landbesitzern wurden. In diesem Jahr wurde nur J. Gellermann als Kolonist aufgenommen. Zu Beginn des ersten Weltkrieges zogen auch etliche Männer aus Marcardsmoor ins Feld, von denen viele nicht zurückkamen. In dieser schweren Zeit wurde die Arbeit auf den Feldern z. T. von Kriegsgefangenen ausgeführt. ( Kapitel Gefangenenarbeit in Marcardsmoor). Während des Krieges konnte von der Generalkommission ein Landmotor angeschafft werden, der auch gleich für die Urbarmachung der II. Reihe in Betrieb genommen wurde. Auch die Elektrizität wurde 1916 eingeführt. Nach dem Krieg wurde im Jahre 1919 die Spar- und Darlehnskasse gegründet (vergl. Kapitel Raiffeisenbank). Bereits im folgenden Jahr entstanden in der II. Reihe mehrere Ansiedlungen. Von den Siedlern musste aus eigener Kraft eine Wohnung gebaut werden. Es reichte oft eine Hütte aus Lehm oder eine Baracke als Unterkunft. Jetzt wurde zuerst die Scheune gebaut, in der auch gewohnt wurde. Erst später konnten die Wohnungen angebaut werden. Die Kolonisten dieser Häuser in der II. Reihe waren K. Fuchs, A. Fuchs, J. Lienemann, H. Juilfs, W. Brunen, J. Knospe, H. Kruse, F. Lienemann, J. Brandes und J. Decker. In der „swarten Leegde“ (heute Birkenweg) erhielten H. Müller, M. Muhle, A. de Wall, H. Gellermann und H. Bohms je ein Kolonat. Zur gleichen Zeit siedelten am Kuckucksweg D. Rahmann und H. Janssen.
Im Gebiet am „Peerkopp“ (heute II. Reihe) wurden 1922 Kolonate an folgende Personen vergeben: E. Luitjens, H. Wehling, J. Schmidt, A. Schrage, K. Saathoff, A. Reuß, R. Habben, W. Wessels, J. Janssen, Lübbers, D. Stulken, W. Langhorst, J. Martens, J. Cirksena, H. Jauken und H. Frerichs. Im Jahre darauf wurden auch im südöstlichen Teil von Marcardsmoor die letzten Kolonate vergeben. Es erhielten O. Buß, A. Aden, J. Ideus, U. Ideus, K. Groß, R. Janssen, A. Rose, G. Junior und C. Scharnhorst je ein Kolonat.
Damit war das Wirken der Königlichen Generalkommission beendet, denn am 1.4.1924 wurde Marcardsmoor zu einer selbständigen Gemeinde erklärt. In den 34 Jahren als fiskalischer Gutsbezirk hatte sich der Ort sehr günstig entwickelt. Die neue Gemeindeverwaltung musste nun das Erbe von Moorvogt Helms antreten, der im gleichen Jahr in Pension ging.