Das erste, was die junge Gemeinde zu tun hatte, war, einen Gemeindevorsteher zu wählen. Diesen Posten erhielt E. Luitjens, der jedoch nach 14 Tagen aus Gesundheitsgründen durch G. Pottberg ersetzt werden musste. Das bis zu diesem Zeitpunkt nicht an Kolonisten vergebene Gelände wurde von der Gemeindekommission an die Gemeinde (40 ha), die Kirchengemeinde (33 ha) und an Kolonisten (40 ha) für 300 – 1000 Mk/ha verkauft. Das Ortsnetz der Stromversorgung wurde ebenfalls für 4000 Mk übernommen. Die kleinen Parzellen an der Südseite des Kanals (die sog. Eisenbahnlinien) wurden zu einem Preis von 1200 Mk/ha an Kolonisten übergeben. 1925 konnte die II. Schule eingeweiht werden und 1927 wurde eine Elektrizitätsgenossenschaft gegründet. Die nächste große Aufgabe war der Bau eines Sandkastens am Ems-Jade-Kanal entlang, die 1933 in Angriff genommen wurde.
Die Machtübernahme durch Adolf Hitler im Jahre 1933 brachte auch für Marcardsmoor das Entstehen der bekannten Organisationen der Partei. Im Jahr darauf erhielten die im Ort ansässigen Arbeitnehmer ein Stück Land zum Kartoffelbau und 1935 wurden von der Gemeinde die Feldbahngleise von Helms bis Post/Upschört der Molkerei Friedeburg abgekauft. Das Elektrizitätsortsnetz Marcardsmoor wurde 1937 von der Energieversorgung Varel über- nommen. Da die Wege innerhalb des Ortes sich in sehr schlechtem Zustand befanden, mussten sie durch Hand- und Spanndienste instandgesetzt wer- den. Dieses große Problem der Hochmoorsiedlung setzt sich bis in unsere Tage hinein fort, wenn auch die Hilfe der Gemeindemitglieder seit der Einge- meindung nicht mehr gefordert wird. Nach der Einführung des Reichsarbeitsdienstes bekam Marcardsmoor 1939 ein Lager südlich des Ems-Jade-Kanals. Dieses wurde auch Maidenlager genannt und bestand aus einer Führerbaracke mit Lazarett, einer Baracke für Küche und Saal mit Veranda und einer Unterkunftsbaracke für etwa 80 bis 100 Mädchen. Die Mädchen arbeiteten bei den Kolonisten im Haushalt und in der Landwirtschaft, wurden aber auch in der Schule als Hilfskräfte ein- gesetzt. Im gleichen Jahr noch wurde die Straße nach Wiesmoor fertiggestellt. Doch dann brach der II. Weltkrieg aus und alle Pläne mussten zurück- gestellt werden. Die jungen Männer gingen zur Wehrmacht, die älteren wurden zum Ende des Krieges verteilt auf Wachdienst, Flugabwehr und Flakbedienung. Die BDM-Mädchen wurden zu Feuerwehrleuten ausgebildet. Auch in diesem Krieg erhielt Marcardsmoor wieder Kriegsgefangene (vergl. Kap. Gefangenenarbeit), die die Arbeit auf den Feldern weiterführten.
Kurz vor Kriegsende wurde noch die Brücke über den Ems-Jade-Kanal gesprengt, und die Brücke aus Akelsbarg musste hierher verlegt werden. Nach dem Krieg stand Marcardsmoor unter englischer Militärverwaltung und es musste versucht werden, aus den Trümmern einen neuen Anfang zu schaffen. Das fiel auch in Marcardsmoor sehr schwer, da zu der eigenen schlechten Lage noch die vielen Flüchtlinge kamen, die untergebracht und ernährt werden wollten. Fast jeder Haushalt musste Flüchtlinge aufnehmen. Es handelte sich dabei hauptsächlich um Mütter mit Kindern. Sie arbeiteten auf den Höfen mit und erhielten dafür Naturalien. Die Marcardsmoorer hatten zu den Flüchtlingen ein sehr gutes Verhältnis, wenn auch oft eine qualvolle Enge herrschte und es an vielem mangelte. Deshalb wurden in den Jahren 1946 bis 1949 Ausschüsse gebildet. Es gab den Ernährungs-, den Brennstoff-, den Woh- nungs- und den Flüchtlingsausschuß. Es wurden 1946 sogar alle zu Holzschuhen verarbeitbaren Birken auf dem Gemeindegebiet gefällt und nach Leer in eine Holzschuhfabrik geliefert, damit man wieder Schuhe an den Füßen hatte. Viele wohnten in Notwohnungen und Baracken, die auf Gemeindegebiet aufgestellt wurden. Auch das Maiden- lager wurde an mehrere Familien als Wohnung vermietet, bis es 1959 abgerissen wurde.
Nach und nach normalisierte sich das Leben wieder, die Männer des Ortes kehrten heim, viele Flüchtlinge zogen wieder fort, einige blieben aber auch hier und betätigten sich meist als Handwerker. Die Brücke über den Ems-Jade-Kanal musste 1949 für den wachsenden Verkehr erweitert werden und die Straße nach Wiesmoor wurde wieder instand gesetzt. Die Gleisanlage existierte noch und konnte von den Siedlern für alle möglichen Transporte benutzt werden. Je zwei Siedler hatten eine flache Lore und Kipploren konnten von der Gemeinde für 1 RM/Tag gemietet werden. Der Lastverkehr lief in jenen Tagen hauptsächlich über diese Schienen, sogar der Verkauf von Kartoffeln auf dem Markt in Wilhelmshaven war ohne sie undenkbar. Die Kartoffeln wur- den bis Upschört auf Loren transportiert, dann auf Pferdewagen umgeladen und zum Markt gebracht. So ein Transport dauerte jedesmal 3 Tage.
Die 50er Jahre brachten hauptsächlich die Verbesserung der Wegeverhältnisse in der Gemeinde. Die Wege wurden beschlackt und 1956 als erstes der Weg der II. Reihe bis zum Schafweg gepflastert. Im gleichen Jahr wurde eine neue Spannbetonbrücke über den Ems-Jade-Kanal gebaut. Sie liegt ca. 60 m östlich der alten Brücke und hat eine Länge von 31 m. 1957 folgte der 2. und 3. Bauabschnitt der II. Reihe bis zum Kreismoor. Die Dränage von 1850 ha Fläche im Jahre 1960 brachte eine wesentliche Verbesserung für die Landwirtschaft, da nun auch verstärkt Maschinen einge- setzt werden konnten. Im gleichen Jahr wurde die Gemeinschaftsgefrieranlage gegründet. Die Anlage wurde nach modernsten Erkenntnissen und Erfah- rungen eingerichtet. Alle 100 Fächer waren gleich zu Beginn verkauft. Erster Vorsitzender war Anton Reuß, sein Nachfolger Otto Mühle und bis 1990 war es Diedrich Lübbers. Frau Gerda Hinrichs pflegt und betreute seit Jahren die Anlage. Eine Erleichterung für die Bewohner Marcardsmoors bedeutete 1962 der Bau der Wasserleitung und damit der Versorgung mit fließend Wasser. Am Friedhof konnte 1967 eine Kapelle gebaut werden. Sie wurde von Marcardsmoor, Upschört und Wiesedermeer sowie von der Landeskirche und durch Haussammlungen finanziert.
Man musste sich in diesen Jahren schwerpunktmäßig um die Befestigung der Straßen im Gemeindegebiet kümmern, da sie auf dem moorigen Untergrund immer wieder absacken und schadhaft werden. Bis zum Jahr 1973 wurde die Straßenbefestigung abgeschlossen. Man musste aber bereits in den folgen- den Jahren wieder neu beginnen, da die Straßen für den wachsenden Verkehr zu schwach ausgelegt waren und sich schon wieder in einem desolaten Zustand präsentierten. In den folgenden Jahren wurden die Straßen mit sehr hohem finanziellen Aufwand erneuert. Dieses war eine der wesentlichen Aufgaben des Gemeinderates, dem in den Jahren bis 1972 folgende Personen als Bürgermeister vorstanden:
Georg Pottberg,
Gerd Martens,
1933 Frerich Saathoff
1934 – 1938 Folkert Saathoff
1938 – 1945 Harm Juilfs
1946 Heiko Rose
1947 – 1955 Harm Juilfs
1956 – 1958 Frerich Lienemann
1958 – 1972 Coob Buß
Am Ems-Jade-Kanal am östlichen Ortsende von Marcardsmoor wurde 1970 das Betonwerk gegründet und bot damals Arbeit für 40 Beschäftigte. Im da- rauffolgenden Jahr begann mit der Gründung des Heimat- und Verkehrsvereins e. V. Marcardsmoor der Aufschwung der sogenannten weißen Industrie. Es entstanden der Campingplatz, der Bootshafen und die Radwanderwege am Kanal. Mit der Eingemeindung von Marcardsmoor in die Großgemeinde Wiesmoor in Jahre 1972 wurde Marcardsmoor in das Fremdenverkehrsprogramm Wiesmoors eingebunden und seither von ihr finanziell unterstützt. Die- se Einrichtungen erfreuen sich großer Beliebtheit, so dass Erweiterungen durchaus zu erwarten sind. Auswärtige Gäste wissen die Ruhe und Gastfreund- schaft in Marcardsmoor zu schätzen. 1990 hat Marcardsmoor eine Einwohnerschaft von 834 Bürgern, die in ihrer Heimatgemeinde in den verschiedensten Organisationen und Vereinen tätig sind und so für ein lebendiges Dorfbild sorgen. Besonders die Vereinsfeste zählen zu den Höhepunkten eines Jahres. Deshalb wird es im Jahr 1990 sicherlich an Feierlichkeiten nicht mangeln.