Genau genommen könnten wir im Jahre 1990 nicht den 100 Geburtstag Marcardsmoors, sondern getrost den 10 000 Geburtstag begehen. Denn ein Steinbeil, gefunden im Gemeindegebiet, weist auf menschliche Siedlungen aus grauer Vorzeit hin. Diesen Ansiedlungen kann man allerdings den Namen „Marcardsmoor“ nicht zubilligen, da sie sich vor dem Wachsen des Hochmoores hier befanden und ihre Spuren später nur hier und dort durch Zufall zutage kamen und sicher noch kommen werden.
Im Gebiet des heutigen Marcardsmoor suchte man vor gut 200 Jahren noch vergeblich nach einer menschlichen Ansiedlung, wie man auf der Campschen Karte von 1804 erkennt. Es lag hier eine riesige Hochmoorfläche, die sich nur sehr schwer für den Menschen nutzen ließ.
Wir befinden uns hier im nördlichen Teil der ostfriesischen Zentralmoore, die sich über eine Länge von etwa 80 km von der Oldenburgisch-Ostfriesischen Grenze bis östlich der Stadt Aurich erstrecken. Die Zentralmoore liegen auf dem Rücken der ostfriesischen Hohen Geest entlang der Wasserscheide, und ihre Fläche beträgt ca. 551,3 qkm.
Die ostfriesische Geest wurde im Drenthe-Stadium der Saale-Eiszeit gebildet (d.h. vor etwa 200 000 Jahren), wobei die oberste Schicht vorwiegend aus einer dünnen Flugsanddecke von 50 – 100 cm besteht. Die Geest hat die Form eines Rückens, der in nordwestlicher Richtung verläuft und sich an den Seiten abflacht. Infolge des sehr schwachen Gefälles und entsprechend langsamer Entwässerung konnte es zu einer Vermoorung kommen. Die Hochmoorbildung begann in der 2. Hälfte des Atlantikums, d.h. ca.4000 v. Chr. und nahm zunehmend mehr Fläche ein.
Voraussetzung für das Wachsen der Torfmoose (Sphagnum) war:
- Niederschlagsreichtum und hohe Luftfeuchtigkeit.
- Geringe Abflussmöglichkeiten des Niederschlagwassers, besonders in der flachen Scheitelregion der Geest.
- Nährstoffarmut des stark gebleichten Sandbodens und Wasserstau durch Ortstein oder Lehm.
Die anspruchslosen Torfmoose konnten sich auf dem feuchten Sandboden rasch ausbreiten und die spärlich vorhandene Vegetation verdrängen.
Es bildete sich eine typische Moorvegetation, bestehend aus verschiedenen Sphagnumarten, Gräsern, Sonnentau und Heidepflanzen.
Bis zum Eingreifen des Menschen war die natürliche Moorlandschaft durch wachsende Moorpolster und zahlreiche Tümpel und Seen gekennzeichnet, in denen sich das überschüssige Niederschlagswasser ansammelte. Durch Entwässerungsmaßnahmen des Menschen kam das Wachstum des Moores zum Stillstand. Es bildete sich eine Sekundärvegetation aus Heide, Bentgras sowie Kiefern und Birken. Schneidet man ein Hochmoor an (z.B. beim Torfgraben), so zeigt das Profil deutlich eine Folge von unterschiedlichen Schichten. Das Moor liegt auf dem Sandboden auf, der an der Oberfläche gebleicht ist und eine Ortsteinschicht enthält. Die untere Torfschicht (auch Schwarztorf genannt), besteht aus bereits stark zersetzten Pflanzenresten, wobei sie zum Teil noch sehr gut erhaltene Baumstämme und Sträucher enthält. Die obere Weißtorfschicht enthält noch nicht so weit zersetztes Material.
Bei uns, in der Mitte des Zentralmoores, weist das Hochmoor entsprechend den günstigen Wachstumsbedingungen in seinem inneren Bereich allgemein eine größere Mächtigkeit auf als am Rand. So erreichte es teilweise eine Mächtigkeit von 5 m und darüber.
Das Klima des Moores unterscheidet sich vom Klima der benachbarten Geest. So fallen hier mehr Niederschläge pro Jahr als dort. Auch kann das Hochmoor die am Tage eingestrahlte Wärme nicht in dem Maße speichern wie ein Mineralboden. Daraus ergeben sich etwas geringere Jahresmitteltemperaturen, was wiederum Auswirkungen auf die Daten für Aussaat, Ernte und Viehtrieb hat. Im Herbst verzeichnet man häufig Frühfroste, da der Boden die gespeicherte Wärme sehr schnell abgibt, die Pflanzen nicht genügend Wärme erhalten und kurz vor der Ernte erfrieren. Im Frühjahr bewirken Spätfröste die gleichen Folgen. Auch Nebel gibt es hier häufiger als auf der Geest. Bei diesen geschilderten Erschwernissen fragt man sich unwillkürlich, was die Menschen veranlasst haben mag, sich in einer dermaßen siedlungsfeindlichen Einöde niederzulassen und dort ansässig zu werden.