In Marcardsmoor sollte auf der Grundlage der Deutschen Hochmoorkultur reiner Ackerbau betrieben werden. So hatte es die Königliche Generalkommission vorgesehen. Das Hauptargument war die Erfindung des künstlichen Düngers, mit dem es möglich sein sollte, auch auf dem Moor zu guten Erträgen zu kommen. Deshalb war geplant, die Kolonate in 7,2 ha Ackerland und I ha Wiesen einzuteilen.
Die Rentabilität dieser Vorgehensweise war zu Beginn keineswegs geklärt, handelte es sich doch um einen Modellversuch. Man ging also bewusst ein Risiko ein.
Es zeigte sich schon bald, dass auch mit Kunstdünger der Ertrag des Moorbodens keine sichere Existenz bieten konnte. Die Kornerträge schwankten sehr stark und so verlegte man sich mehr auf den Anbau von Kartoffeln, da diese Ernten immer recht gut gewesen waren. Dadurch konnten jetzt auch Schweine gehalten werden. Auf den großen Kolonaten war die Arbeit aber für die Siedler allein nicht mehr zu bewältigen. Deshalb versuchte man, größere Flächen als Grünland zu nutzen, um so Arbeit zu sparen. Dadurch nahm die Viehzucht einen erheblichen Aufschwung.
Gab es zu Beginn der Kolonie kaum einige Tiere (s. Tabelle), so entwickelte sich langsam ein größerer Viehbestand. Interessant an der Tabelle ist das völlige Fehlen von Geflügel bis 1899. Als Grund wurde genannt, dass viele junge Tiere in den Gräben und Grüppen ertranken. Der Bestand an Ziegen ging wegen Unrentabilität im gleichen Jahr auf 0 zurück. Verbunden mit der Anlage von Wiesen und Weiden war für den Siedler die sehr willkommene Arbeitsersparnis. Das Verhältnis von Ackerland zu Weideland verschob sich immer mehr zugunsten des Weidelandes.
Der Viehbestand war bereits 1900 so groß, dass die Marcardsmoorer daran gingen, eine Molkerei mit Handbetrieb zu gründen. Mit Handbetrieb deshalb, weil die Generalkommission der Ansicht war, dass die Menge von 1000 l Milch pro Tag lange nicht überschritten werden würde.
Viehbestand in Marcardsmoor in den Jahren 1892 bis 1926 | ||||||
Pferde | Rinder | Schafe | Ziegen | Schweine | Geflügel | |
1892 | – | 2 | 19 | 3 | 29 | – |
1893 | 2 | 38 | 13 | 4 | 50 | – |
1894 | 3 | 45 | 20 | 6 | 93 | – |
1896 | 8 | 91 | 30 | 4 | 103 | – |
1897 | 6 | 111 | 45 | 5 | 102 | – |
1898 | 12 | 110 | 39 | 7 | 160 | – |
1899 | 14 | 116 | 61 | – | 170 | 354 |
1900 | 19 | 138 | 37 | – | 198 | 395 |
1901 | 19 | 159 | 39 | – | 200 | 505 |
1902 | 23 | 182 | 27 | – | 210 | 571 |
1903 | 26 | 203 | 33 | – | 287 | 583 |
1904 | 27 | 233 | 37 | – | 221 | 655 |
1905 | 35 | 279 | 33 | – | 224 | 746 |
1906 | 37 | 312 | 42 | – | 289 | 851 |
1908 | 45 | 387 | 71 | – | 330 | 1081 |
1913 | 44 | 433 | 66 | 3 | 362 | – |
1926 | 97 | 684 | 115 | 13 | 668 | 2569 |
Quelle: Korte, H. (1930) S. 105 |
Das dies ein Trugschluss war, zeigte sich schon bald, denn im Jahr 1905 musste die Molkerei bereits auf Dampfturbinenbetrieb umgestellt werden. Sie wurde im Fuchsschen Haus am Ems-Jade-Kanal eingerichtet. Aber bereits 1908 reichte auch dies nicht mehr aus, und so wurden die Kolonisten zu Genossen der Molkerei Friedeburg, wohin die Milch jeden Tag auf Milchloren und von dort mit Pferdefuhrwerken geliefert wurde. Der erste Milchfuhrmann von Marcardsmoor war G. Krull. Bis zum Jahre 1933 blieb es bei dieser Regelung. Dann fand eine Milchanlieferungseinteilung statt und der westliche Ortsteil Marcardsmoors lieferte künftig seine Milch nach Wiesedermeer. Auch hier wurden wieder die Feldbahngleise genutzt. Bis in die 60er Jahre fand die Beförderung der Milch auf diese Weise statt, die dann allmählich durch Traktoren und später durch LKW abgelöst wurde.
Der Ackerbau wurde nach und nach von der Viehzucht verdrängt, weil hier die Erträge besser waren, aber mit dem Beginn des II. Weltkrieges erlebten die Kolonisten in Marcardsmoor wirtschaftlich schwere Einbußen. Am härtesten traf es die jungen Siedler, da der nötige Dünger nicht zu bekommen war, und die jungen Männer zum Kriegsdienst eingezogen waren. Mit dem Ende des Krieges war das meiste Land so ausgelaugt, dass die Ernten fast nichts mehr einbrachten. Darum wurde viel Torf gegraben und in der Marsch für Viehfutter getauscht, denn die Winterversorgung der Tiere war sonst im Winter nicht ausreichend gesichert.
Erst 1948 nach der Währungsreform wurde die Wirtschaft und damit auch die Landwirtschaft wieder angekurbelt. Wurde zunächst noch mit Pferden und sehr viel Menschenkraft gearbeitet, begann Ende der 50er Jahre eine massive Motorisierung und Mechanisierung. Die Maschinen waren sehr teuer, also musste ein größerer Reinertrag erwirtschaftet werden.
Es wurden Maschinengemeinschaften gegründet und viele Betriebe wurden als Nebenerwerbsbetriebe weitergeführt. Andere wurden von sogenannten Auffangbetrieben übernommen.
Die Maschinen bewirkten, dass immer mehr Arbeitskräfte frei wurden und viele junge Menschen aus der Landwirtschaft abwanderten. Diese Entwicklung ist noch nicht zu Ende. Die Maschinen werden immer noch größer und leistungsfähiger. Für die landwirtschaftliche Bevölkerung hat dies aber auch positive Seiten, denn es wird Zeit gespart und die Familien haben mehr Freizeit.
Seit der Umstellung auf Maschineneinsatz wird in Marcardsmoor hauptsächlich Grünlandwirtschaft betrieben. Geeignete Flächen werden mit Mais bestellt. Beides wird zum größten Teil siliert und im Winter an das Vieh verfüttert. Die ursprünglichen Hauptfrüchte wie Korn und Kartoffeln werden nur noch wenig angebaut.
Man sieht, dass seit der Gründung von Marcardsmoor eine grundlegende Umstellung in der Landwirtschaft stattgefunden hat. Der von der. Königlichen Generalkommission geplante Ackerbau konnte nicht durchgeführt werden, deshalb musste nach und nach die für Marcardsmoor günstigere und rentabelste Landbestellung gefunden werden. Wer heute durch Marcardsmoor fährt, sieht links und rechts fast nur noch Wiesen und Weiden, ab und zu von einem bebauten Feld durchsetzt. Auch die Landwirtschaft muss sich am Markt orientieren und sich ständig auf dem neuesten Stand befinden, deshalb wird sich sicher auch Marcardsmoor im Laufe der Zeit noch weiter verändern.